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Der große Preis von Kununu und Co.

Geschrieben von Till Stadick | Mar 15, 2023 7:00:00 AM

Machen Arbeitgeberzertifikate gute Arbeitgeber?

 

Fairtrade, demeter, der blaue Engel – man kennt sie. Die Produktsiegel und -zertifikate, die darauf hinweisen, dass ein Joghurt, ein Babybrei oder die Zartbitterschokolade qualitativ hochwertig oder außergewöhnlich nachhaltig in seiner Produktion ist. Und wir, als Verbraucher:innen, setzen in vielen Bereichen großes Vertrauen in diese Siegel.

Man könnte vermuten, dass Jobsuchende ebenso großes Vertrauen in Arbeitgebersiegel setzen.
Oder? 

 

Der Markt mit Arbeitgeberzertifikaten boomt. Diese werden heutzutage sehr gut bezahlt, um Unternehmen offiziell „familienfreundlich“ oder „Ausgezeichneter Arbeitgeber“ nennen zu dürfen. Gleichzeitig betreiben Unternehmen oft einen hohen Zeitaufwand, um eins der begehrten Zertifikate zu erhalten. Mitarbeiter:innenbefragungen, umfangreiche Fragebögen, Interviews und intensive Nachweisprüfungen gehören zu den wichtigsten Kriterien.

Wir stellen die bekanntesten Arbeitgebersiegel vor und erläutern die Kriterien, die erfüllt werden müssen, um sie zu bekommen:

 

#1 „Top Employer“ in Deutschland: Arbeitgebersiegel seit 15 Jahren
#2  Vertrauen in die Sicherheit: „Ausgezeichneter Arbeitgeber“ vom TÜV Rheinland
#3 Zertifizierte Familienfreundlichkeit: das „audit berufundfamilie“
#4 Kununu‘s „Top Company“: das preiswerteste unter den Arbeitgeberzertifikaten
#5  Arbeitgeberzertifikat für a Great Place to Work: „Bester Arbeitgeber Deutschlands“
#6: Ist ein Arbeitgeberzertifikat sinnvoll?

 

 

#1 „Top Employer“ in Deutschland: Arbeitgebersiegel seit 15 Jahren

 

Bereits seit den 90er Jahren beschäftigt sich das Top Employer Institute mit dem Thema Human Ressource. Damals noch als Verlagshaus für Fachbücher zu dem Thema, entwickelte sich das Unternehmen zum „führenden Anbieter für Zertifizierung von herausragenden Mitarbeiterbedingungen“. Das Top Employer Institute ist ein Global Player und damit auch international relevant. Wurde beispielsweise ein Unternehmen bereits mit verschiedenen Sitzen in mehreren Ländern als Top Employer ausgezeichnet, kann es sich sogar um eine europäische oder globale Zertifizierung bewerben. Für rund 12.000€ im Jahr können sich Unternehmen jeder Größe um das Arbeitgebersiegel bewerben. Zusätzlich müssen sie den „HR Best Practices Fragebogen“ ausfüllen, um den Status Quo des Personalmanagements zu ermitteln. Erfolgt eine positive Auswertung des Fragebogens, erhalten die Unternehmen offiziell für ein Jahr die Auszeichnung „Top Employer“.

 

 

#2:  Vertrauen in die Sicherheit: „Ausgezeichneter Arbeitgeber“ vom TÜV Rheinland

 

Der TÜV Rheinland bewertet für rund 6.000€ Unternehmen als „Ausgezeichnete Arbeitgeber“. Als TÜV genießt das Unternehmen ein besonderes Vertrauen, denn in Bezug auf die Automobilindustrie oder Produktherstellung steht der „Technische Überwachungsverein“ TÜV seit Jahrzehnten für hochwertige Qualität. Ein Hauptgrund ist, dass in seinem Mittelpunkt immer die Sicherheit steht, „also die körperliche Unversehrtheit der Menschen, der Umweltschutz und die Vermeidung existenzieller Schäden“. Und das seit mehr als 150 Jahren. Deshalb hat der TÜV Rheinland mit seinem Arbeitgeberzertifikat für „Ausgezeichnete Arbeitgeber“ allein durch seinen Namen einen kleinen Vorteil den anderen Anbietern gegenüber. Um als „ausgezeichneter Arbeitgeber“ anerkannt zu werden, müssen Unternehmen einiges tun.

Nach einem Erstgespräch zur Festlegung des Prüfungsumfangs, der Aufwandsermittlung und der Terminplanung, müssen Unternehmen mittels eines Fragebogens einen „Quick-Check“ absolvieren, als auch eine GAP-Analyse durchführen, also feststellen und festlegen, wo „noch Lücken“ im Personal- und Unternehmensmanagement zu finden sind. Im eigentlichen Audit werden schließlich sämtliche Prozesse ausführlich geprüft, analysiert und ausgewertet. Von der Unternehmenskultur, Kommunikation, Verantwortlichkeiten, Tätigkeitsprofile, Datenschutz, Work-Life-Balance, Employer Branding, Personalmarketing bis hin zum Bewerbungsprozess und der Chancengleichheit in der Personalbeschaffung. Übrigens: bei Bedarf können Unternehmen sogenannte „Zusatzmodule“ buchen und sich zusätzlich in den Bereichen Elternfreundlichkeit, Ausbildungsbetrieb, Digitaler Arbeitsschutz, Gesundheitsmanagement und Fit für ausländische Fachkräfte zertifizieren lassen.

#3: Zertifizierte Familienfreundlichkeit: das „audit berufundfamilie“

Das Arbeitgeberzertifikat „audit berufundfamilie“ wurde vor rund 25 Jahren von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung initiiert, um Unternehmen und Einrichtungen dafür zu motivieren und dabei zu unterstützen, ihre Arbeits-, Forschungs- und Studienbedingungen familiengerecht zu gestalten. Das Zertifikat wird für drei Jahre vergeben, sofern das Unternehmen das Zertifizierungsverfahren erfolgreich bestanden hat. Dieses  beinhaltet die Aufnahme eines Status Quo, der offen sein muss für Maßnahmen für die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben. Im selben Rahmen wird eine Zielvereinbarung festgelegt, die sämtliche Umstrukturierungen und Maßnahmen beinhaltet, die bis zu einer gemeinsam festgelegten Frist umgesetzt werden müssen, um eine familienbewusste Kultur in allen Bereichen des Unternehmens zu etablieren. Das Audit umfasst acht Handlungsfelder: Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Arbeitsort, Information und Kommunikation, Führung, Personalentwicklung, Entgeltbestandteile und geldwerte Leistungen sowie Service für Familien. Ziel ist es, alle Handlungsfelder im Unternehmen familiengerecht zu gestalten. Ein Unternehmen, das zwischen 5 und 50 Mitarbeitende beschäftigt, zahlt für die erste Auditierung 8.000€. Für bis zu 1.500 Mitarbeiter:innen kostet der Auditierungsprozess etwas mehr als das Doppelte. 

 

#4  Kununu‘s „Top Company“: das preiswerteste unter den Arbeitgeberzertifikaten

Die Auszeichnung „Top Company“ von kununu ist wohl eines der günstigsten auf dem Markt. Mit einer größenunabhängigen Pauschale von 1490€ kann man sich das Zertifikat als Sticker an die Unternehmenstür kleben, per Aufsteller im Eingangsbereich präsentieren oder als digitales Siegel auf der eigenen Webseite präsentieren. Unternehmen müssen allerdings neben der Gebühr auch einige weitere Bedingungen erfüllen, um sich „Top Company“ nennen zu dürfen:

  • Mindestens sechs Mitarbeiter:innen-Bewertungen
  • Ein kununu Score von mindestens 3,8 sowohl als Gesamtscore als auch als Mitarbeiter:innen-Score.
  • Ein durchschnittliche Mitarbeiter:innen-Score der vergangenen 12 Monate von mindestens 3,8.
  • Mindestens zwei neue Mitarbeiter:innen-Bewertung in den vergangenen zwölf Monaten. Dazu zählen Aktualisierung bereits existierender Bewertungen.

Erfüllt ein Unternehmen diese Bedingungen, erhält es auf kununu.de und XING kostenlos die Auszeichnung auf seinem Unternehmensprofil. Die Jahreslizenz beinhaltet die Verwendung des Zertifikates auch außerhalb von XING und kununu.de, als auch die Top Company-Box mit Print-Produkten, die im Unternehmen präsentiert werden können und ist für 1490€ nach Erfüllung der oben genannten Bedingungen erhältlich.

 

 

#5  Arbeitgeberzertifikat für a Great Place to Work: „Bester Arbeitgeber Deutschlands“

Die „Great Place to work“-Auszeichnung basiert auf einer wissenschaftlich fundierten und methodischen Mitarbeiter:innenbefragung. Der Zertifizierungsprozess findet hierbei ausschließlich digital und online statt und beinhaltet verschiedene „Pakete“ mit geschlossenen und offenen Fragen, mit deren Hilfe Mitarbeitende ihr Unternehmen zur erlebten Arbeitsplatzkultur beschreiben und bewerten können. Aus dieser Befragung lassen sich „individuelle Vergleichswerte zusammenstellen, durch die mögliche Potenziale, realistische Maßstäbe und individuelle Entwicklungsziele“ festgelegt werden können. Die Kosten variieren auch hier mit der Anzahl der Mitarbeitenden und reichen von 3.500€ bis zu über 20.000€.

 

 

#6: Ist ein Arbeitgeberzertifikat sinnvoll?

Fünf der bekanntesten Bescheinigungen haben wir hier zusammengefasst. Und jetzt stellen Sie sich vor: es gibt über 180 solcher Siegel, die in vielen verschiedenen Bereichen die Unternehmenskultur von Firmen bewerten sollen. Aber wie es so oft ist: viele Köche verderben den Brei. Denn nicht nur beim Kauf des Babybreis, dessen Marken und Siegel auch kaum noch überschaubar sind, ist es nicht verwunderlich, dass der Boom um Arbeitgeberzertifikate aktuell das Ziel – nämlich für potenzielle Mitarbeitende attraktiv zu werden – verfehlt. Das macht nicht nur die schier undurchschaubare Quantität der Zertifikate, sondern vor allem auch die Qualität. In einer bereits 2017 durchgeführten Studie an der Hochschule Osnabrück stellten die Forschenden Abramovskij und Enneking fest, dass die durchweg für die zertifizierten Unternehmen kostenpflichtig und sehr intransparent durchgeführten Vergabeprozesse von „Befragten als käuflich und damit unglaubwürdig“ bewertet wurden. Während für viele Bewerbenden in zertifizierten Unternehmen eine Auszeichnung oft wenig bis gar nicht ausschlaggebend ist, haben sie für einige Bewerber:innen sogar einen negativen Beigeschmack und führen also zum Gegenteil des beabsichtigten Ziels.

 

 

Unser Tipp: machen Sie sich ein genaues Bild davon, welches Zertifikat für Ihr Unternehmen wirklich sinnvoll ist. Stellen Sie die richtigen Fragen: Was wird von wem wie bewertet und für wen ist diese Beurkundung wirklich wichtig? Im besten Fall sollen Zetifikate eine Orientierung geben in der Wahl des Unternehmens. Wie familienfreundlich ist das Unternehmen? Ist es offen für neue Arbeitsmodelle? Beachten Sie dabei: im Recruiting, speziell im Recruiting der Generation Z ist eines der wichtigsten Stützpfeiler einer erfolgreichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Bewerber:innen die Authentizität.

Die Studie von Abramovskij und Enneking hat gezeigt, dass „die Glaubwürdigkeit von Gütesiegeln neben ihrer Bekanntheit maßgeblich davon ab[hängt], ob die Auszeichnung bzw. Zertifizierung durch Neutralität sowie fehlende kommerzielle Interessen gekennzeichnet ist“. Viele Siegel auf dem Markt sind kostenpflichtig, bei den meisten kommt ein intransparenter Vergabeprozess hinzu. Es wundert also nicht, dass viele Bewerber:innen diese Auszeichnung als „käuflich und damit unglaubwürdig werten“. Hinzu kommt, dass viele Zertifikate auf den ersten Blick ebenso uneindeutig in ihrer Bedeutung und Wirkung sind, wie ihr Vergabeprozess. Ein Arbeitgeberzertifikat, das eindeutig auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgerichtet ist, macht dementsprechend auf Bewerber:innen einen besseren Eindruck, als eines, das das Unternehmen als guten Arbeitgeber auszeichnet. „Wenn es mittelständischen Unternehmen […] nicht gelingt, ihre Bekanntheit und Attraktivität als Arbeitgeber mittels anderer Maßnahmen des Employer Brandings zu steigern, dann stellt die Teilnahme an Arbeitgeberwettbewerben bzw. Zertifizierungen eine zielgerichtete Möglichkeit dar, potenzielle Bewerber in der […] frühen Rekrutierungsphase anzusprechen“, schließen Abramovskij und Enneking. Sobald Bewerber:innen allerdings eine Stufe weiterkommen, sollten die erworbenen Arbeitgeberzertifikate genauso solide in deren Aussagen sein, wie das Unternehmen, das es trägt, um die Bewerbenden weiterhin erfolgreich für den erstrebten Arbeitsplatz zu begeistern.

 

 

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Verfasst von Till Stadick

Till Stadick berät seit 2000 verschiedenste Unternehmen, Behörden und Institutionen im Bereich der Digitalisierung und Recruiting-Lösungen. In verschiedenen Projekten für Kunden wie der Robert Bosch GmbH, der Landeshauptstadt München, der ARAG AG, dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, den SRH Kliniken und vielen anderen unterstützt er mit seiner Expertise in der Beratung, Konzeption, Umsetzung, dem Rollout und dem Betrieb von digitalen Lösungen im Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting. Seit 2016 ist er außerdem als Keynote Speaker, Change-Manager und Seminarleiter tätig.